14.000 Tabletten werden einem Menschen im Laufe seines Lebens
durchschnittlich verschrieben. Dazu kommen die frei verkäuflichen
Medikamente. Diese Zahlen nennt der Film "Pill Poppers", auf deutsch
"Pillenschlucker". Die meisten Patienten nehmen ihre Tabletten in der
Annahme, dass deren Wirkungen und Nebenwirkungen ausreichend bekannt
sind. Doch dies ist laut der vom BBC produzierten Dokumentation "Pill
Poppers" ein fataler Irrtum: Umfassende Informationen über ein
Medikament erhalten die Pharmakonzerne erst, nachdem es auf dem Markt
ist.
Als Teil eines riesigen Forschungsexperiments sehen die
Filmemacher von "Pill Poppers" die Menschen, die Tabletten einnehmen.
Denn: Erst wenn es ein Medikament auf den Markt geschafft hat, werden
die meisten Nebenwirkungen bekannt - teilweise tödliche. Weiter erklärt
ein Wissenschaftler im Film, dass Medikamente entgegen landläufiger
Meinung nicht gezielt entwickelt, sondern vielmehr durch Zufall entdeckt
werden. Als Beispiel führt er das inzwischen weltweit verkaufte
Potenzmittel Viagra heran. Dessen Wirkstoff Sildenafil war ursprünglich
als Medikament gegen Bluthochdruck und Angina pectoris gedacht. Als
männliche Patienten von unerwarteten Erektionen berichteten, horchte der
Pharmakonzern auf und forschte mit Hochdruck an dieser Wirkung des
Medikaments. Viagra ist also ein Zufallsprodukt. Doch kann oder soll man
Stoffen, deren Wirkungen durch Zufall entdeckt werden, trauen?
Im
Laufe der 59-minütigen Dokumentation wird diese Frage mehrmals
aufgeworfen. Die Regisseure nehmen den Zuschauer mit auf eine Reise
durch die Welt der Tabletten. Die ersten Szenen zeigen ein
amerikanisches Laboratorium, in dem Wissenschaftler Tausende an Stoffen
auf ihre Wirkung untersuchen. Auch dies nach dem Zufallsprinzip.
Weiter
lernen die Zuschauer eine Palette an bekannten Medikamenten samt deren
Wirkungen und Nebenwirkungen kennen. Dazu gehört beispielsweise Ritalin,
das gegen Hyperaktivität verschrieben wird. Bereits hier zeigen sich
die zwei Gesichter der Tablettenanwendung: Ein Junge profitiert von
Ritalin, er kann sich besser konzentrieren und hat gelernt, sich in eine
Gemeinschaft einzufügen. Ein junger Student wiederum nutzt das
Medikament, um seine Aufmerksamkeit während stressiger Lern- und
Klausurzeiten zu steigern. Der erste Schritt zum Tablettenmissbrauch.
Ebenfalls
über Missbrauch und Abhängigkeit informiert der Film anhand des Falles
einer von Codein abhängigen Patientin. Sie kann sich ein Leben ohne
Tabletten nicht mehr vorstellen, obwohl die Medikamente, die sie einst
gegen chronische Schmerzen eingenommen hat, nun selbst Schmerzen
hervorrufen. Ein Teufelskreis.
Immer wieder lenkt der Regisseur
die Aufmerksamkeit seiner Zuschauer auf einen Punkt, den unsere
Gesellschaft gerne ausblendet: Kein Medikament ist frei von
Nebenwirkungen. "Jede Medizin greift grundlegend in die biologischen
Prozesse des Körpers ein. Dies kann nicht ohne unerwünschte
Nebenwirkungen funktionieren", erklärt ein Mediziner im Film.
Wie
verhält sich die Pharmaindustrie? Hierzu hat „Pill Poppers“ eine klare
Meinung: Pharmafirmen betreiben Panik-Mache und haben eine ganze
Marketing-Maschinerie entwickelt, um Krankheiten sogar zu erfinden, da
der Medikamenten-Markt inzwischen gesättigt ist. Beispielsweise erhalten
alleine in England sechs Millionen Erwachsene so genannte "Statine",
die den Cholesteringehalt des Blutes künstlich senken. Diese Menschen
sind laut "Pill Poppers" gesund, sie beugen durch die Statin-Einnahme
lediglich einer möglichen Erkrankung vor. Denn erhöhte Cholesterinwerte
können in Zusammenhang mit anderen Faktoren zu Schlaganfällen oder
Herzinfarkten führen.
Doch nicht nur Medikamentenmissbrauch und
Nebenwirkungen führt der Film als negative Seite der "Pillen-Einnahme"
an. Ein Mediziner schildert, dass immer mehr Keime durch den häufigen
Gebrauch von Antibiotika gegen immer mehr Mittel resistent sind und dass
diese Entwicklung weiter geht. Damit verlieren die Antibiotika ihre
Schlagkraft - eine sehr gefährliche Entwicklung.
Der Film "Pill
Poppers" ist eine gut recherchierte Dokumentation, die die
unterschiedlichen Seiten des Umgangs mit Medikamenten beleuchtet. Durch
seine unterschiedlichen Szenen-Einstellungen und Wechsel der Perspektive
ist der Film abwechslungsreich und kurzweilig. Die Filmemacher rücken
die kritischen Seiten der Tabletten-Einnahme in den Vordergrund, weniger
häufig berichten sie von positiven Seiten. Der Film ist im Internet
unter anderem bei Youtube unter dem Stichwort „Pill Poppers“ zu sehen.
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